Montag, 23. März 2015

Geburtsbericht

Nachdem ich meinen 1.Tag im Krankenhaus ziemlich genau beschrieben habe, habe ich beschlossen den restlichen Teil des Geburtsberichts nun doch so kurz wie eben möglich zu fassen und nicht für jeden Tag ein Einzelposting zu schreiben.
Ich möchte aber vorab nochmal darauf hinweisen, dass ich schonungslos ehrlich schreiben werde. Sollte also eine von meinen Leserinnen eh schon Geburtsängste haben, rate ich davon ab meine Geschichte zu lesen. Bei mir ist nämlich einiges schief gelaufen und könnte unnötig Angst machen. Denn natürlich habe ich alles als total dramatisch empfunden, obgleich es wahrscheinlich deutlich schlimmere Geburten gibt. Entscheidet also selbst, ob ihr euch das Geseier reinziehen wollt.

Ich war nun also nach Tag 1. bereits völlig durch. Die Schmerzen von den Einleitungen hörten nicht auf und durch die ständigen vaginalen Untersuchungen war ich schon total wund. Vor allem weil die zweite Einleitung mit einem Gel, anstatt der Tablette gemacht wurde. Dieses Gel hatte ich wohl nicht gut vertragen, mein Schmuckkästchen hatte danach wie Feuer gebrannt und das Gleitgel, welches die Ärzte zum untersuchen benutzen, schien sich auch nicht so gut mit dem Gel zu vertragen. Daher kamen sie auf die Idee, auf das Gleitmittel zu verzichten. Jede weitere Untersuchung fühlte sich für mich wie eine Vergewaltigung an.Und die Geburt wollte einfach nicht losgehen.
Das zog sich so durch die nächsten Tage.
Tag für Tag erntete ich mitleidigere Blicke im Frühstücksraum. Und ehrlich... ich verfluchte jedes neue Gesicht, das einfach über Nacht gekommen war und sein Kind bereits im Arm hielt. Ich hatte ja quasi eine 6-Tagegeburt. Ich gönnte niemandem mehr sein Glück.
Ohne meinen Partner hätte ich all das nicht durchgestanden. Niemals. Ich weiß er ist in einigen meiner Postings nicht sonderlich gut weggekommen, weil er in der Schwangerschaft einiges verbockt hatte... ABER was er in der Zeit im Krankenhaus geleistet hat ist unfassbar. Er war jeden Tag bei mir und es hat nicht eine Situation gegeben, in der er irgendwas falsches getan hätte. Dabei ging es ihm bestimmt genauso beschissen wie mir. Er schlief sogar mit mir dort, obwohl er Krankenhäuser hasst. Es war nicht einfach für ihn. Jeder Tag dort bestand aus Quängeln und Jammern, bereits am 2. Tag mutierte ich zu einem 3- Jährigen Kind, das einfach nur nach Hause wollte. Ich vermisste unsere Wohnung und vor allem meinen wunderfeinen Kater Kasimir.



Es muss hart für einen Mann sein, wenn die Frau untröstlich ist und immer mehr zum Zombie mutiert... Jaja. ich muss nun darüber lachen wie ich mich an Tag 1. noch hübsch machte, für das große Ereignis. Toll habe ich mir das vorgestellt. Eine hübsche Gebärende zu sein. Mit geglätteten Haaren, einem dezenten Makeup und so weiter. Haha. Pustekuchen.
Mittlerweile war alles attraktive an mir wie im Nichts verschollen. Mein Gesicht war verquollen, meine Augen rot, meine Haare hatten sich zu einem einzigen Dreadlock verfilzt und ich gab mir keine Mühe mehr, mich nicht allzu "walisch" zu bewegen.
Ich habe keine der Nächte geschlafen, ich hatte permanent Panikattacken, Schwindelgefühle, Übelkeit usw. Vor allem die Rückenschmerzen ließen keinen Schlaf zu. Man gab mir sogar Faustan, ein starkes Beruhigungsmittel, damit ich schlafen konnte...
Ich begann egoistisch zu werden. Das kleine Wesen in mir wurde egal- ich wollte einfach nur, dass endlich alles ein Ende hat. Ich war kaum noch Herr der Lage, kam aus meinem Heulschwall nicht mehr raus und an Tag 4. war mein Freund in ernsthaft großer Sorge. Es passierte einfach nichts. Ich hatte mittlerweile fast alle Hebammen und Ärzte kennen gelernt. Und bei jeder Untersuchung hatten sie versucht mir Mut zuzusprechen "Aber der Muttermund fühlt sich schon ganz weich an" und "Also der Muttermund ist schon 1cm geöffnet und der Gebärmutterhals verkürzt". Allerdings hatte ich all diese Infos schon 1000x gehört und somit war es nie eine Neuigkeit und somit auch kein Trost. Schon Wochen vor meinem Entbindungstermin war mein träger Muttermund um einen verkackten Zentimeter geöffnet. Ich hatte es aufgegeben mit Hebammen und Ärzten über meine Ängste und Sorgen zu sprechen. Es unternahm ja doch keiner so richtig was. Und ich weigerte mich, mir weitere Einleittabletten einführen zu lassen. Ich war durch mit dem Thema. Sollte das blöde Baby doch dadrin versauern, ich wäre eh lieber gestorben. Das klingt so wahnsinnig albern und dramatisch. Aber so stand es eben um meine Gefühlslage.
Mein Freund bat um ein Gespräch mit einem Arzt und als dieses dann endlich stattfand, fragte er wie es denn nun mit einem Kaiserschnitt aussähe. Ich war so glücklich, dass wenigstens mein Freund zu mir stand und als einziger begriff, dass ich längst keine Kraft mehr hatte. Wie zum Teufel sollte ich in diesem Zustand noch mal eben ein Kind zu Welt bringen. Ich konnte mich ja kaum noch mobilisieren, um zu essen oder sonst irgendwas zu tun.

Der Arzt ging eigentlich so gut wie gar nicht auf das Thema Kaiserschnitt ein. Auch wenn mein Bauchbewohner bereits 4 Wochen vor dem Entbindungstermin auf bereits 4000g geschätzt wurde, hätte das nichts zu bedeuten. Die Berechnungen seien ungenau und man wollte das Kind auf natürlichem Wege auf die Welt bringen. Auch fragten wir, ob ich nicht nach Hause könnte und wiederkommen, wenn es eben losginge. Ich hielt es auf dieser Station einfach nicht mehr aus.
Natürlich war das aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich. Im Prinzip hätten wir uns dieses Gespräch sparen können. Es war einfach nur eine weitere Enttäuschung. An Tag 5. übernahm mein Freund dann endgültig das Zepter. Es war nicht mehr auszuhalten. Er sprach mit einer Hebamme und erneut mit einer der Ärztinnen und wir ließen uns gegen ärztlichen Rat entlassen. Nur für ein paar Stunden heimische Luft schnuppern. Das war was ich brauchte. Kurz mal wieder dem Krankenhausalltag entfliehen. Endlich zurück in meine gewohnte Umgebung. Zu meinen Klamotten, meiner Wohnung, meinen Möbeln, unserem gemütlichen Licht. Zu meinem Kater.
Ich selber hatte nicht mehr die Kraft für mich selbst zu entscheiden und war meinem Freund unendlich dankbar, dass er das übernommen hatte. Zwar mussten wir diesen Wisch unterschreiben, von wegen gegen ärztlichen Rat und so weiter, aber selbst die Ärztin hatte eingesehen, dass alles andere keinen Sinn hatte momentan.
Ich stampfte schnellen Schrittes aus dem Kreißsaal Richtung Zimmer, um ein paar Sachen zusammen zu packen. Mein Freund musste mich bremsen, damit ich mich nicht überschlug.
Kaum hatten wir das Krankenhausgelände verlassen, rollten mir schon die ersten Tränen die Wangen runter. Schon der Weg nach Hause bedeutete mir alles. Das muntere Stadtleben und selbst die hässlichen Bauten in Lichtenberg trösteten mich selbst an diesem grauen Tag- ich war wie ein Psycho.
Aber hey. Ich war verdammt nochmal 5 Tage ohne Schlaf. Nach fast 10 Monaten ziemlich wenig Schlaf.
Kaum in unseren Kiez eingebogen, war ich kaum noch zu halten. Wir sollten 20 Uhr zurück im Krankenhaus sein, um wieder CTG schreiben zu lassen.  Ich wollte jede verdammte Minute ausschöpfen. Noch bevor mein lieber Freund einen Parkplatz finden konnte stürmte ich aus dem Auto, hoch in den 4.Stock in meine geliebte Wohnung. Ich lief alle räume ab, fasste völlig pathetisch meine Möbel, die Wände und schlussendlich meinen Schmusekater an.


Es war SO schön. Ich hatte meine Mutter gebeten ein paar Dinge einzukaufen und uns was frisches zum Abendessen zu machen. Ich fühlte mich plötzlich wieder voller Energie. Als sie kam, konnte ich es mir nicht nehmen lassen selbst zu schnibbeln und zu kochen, ich genoss es endlich wieder mal was "normales" zu machen. Wenn man sich einige Tage in einem Krankenhaus aufhält, fühlt man sich eben auch schwach und krank. Das Licht und die allgemeine Stimmung tragen dazu bei.
Mein Zu Hause war mein Jungbrunnen. Als wir fertig gegessen hatten, ging meine Mutter und ich ließ mir ein Bad ein. Endlich baden. Das tat so unfassbar gut. Die Schmerzen hatten nachgelassen, weil ich mich weiteren Einleitungen verweigerte und das Bad weichte mir die letzten Verspannungen auf. Es ging mir den Umständen entsprechend wieder gut, auch wenn ich fast aus allen Nähten platzte. Sogar ein Stündchen Dösen auf der Couch war drin. Echt. Ich kam mir vor wie im Paradies.

(Diese Fotos sind nicht von diesem Tag, sondern von dem Babybauchshooting)

Als wir dann allmählich zurück mussten war ich zwar traurig, aber diese paar Stunden hatten mir einen Haufen Erholung verschafft.
Ich war bereit. Am Morgen hatten wir über geburtsbeschleunigende Alternativen gesprochen und sie hatten mir versprochen, dass ich keine Einleittabletten mehr bekommen müsste, wenn ich das ablehnte. Kaum im Krankenhaus angekommen ging es wieder zum CTG schreiben.
Und dann beschlossen die Hebammen, mich am nächsten Tag an einen Wehentropf zu schließen, um endlich voran zu kommen.

Am nächsten Morgen hatten wir 7 Uhr in der Früh den Termin im Kreißsaal. Ich würde zu gern schreiben: "Und ab da an ging alles ganz schnell". Aber so war es leider nicht. Hier führte sich das Grauen einfach nur fort. Ich war total guter Dinge und bester Laune weil meine Hoffnung wuchs und ich wusste, lange konnte der Kerl da jetzt nicht mehr in meinem Bauch rumturnen, ich war fast 2 Wochen über dem Termin und es war der sechste!! Tag im Krankenhaus. Außerdem war es mein Lieblings- Kreißsaal.

Ich war ja in den letzten Tagen in jedem. Es war der mit dimmbaren Sternenhimmel und außerdem gab es hier diesen Gebärstuhl, den ich unbedingt "benutzen" wollte. Eben merke ich wie bekloppt sich das liest.



Wir spielten sogar noch Mau Mau auf dem Bett im Kreißsaal. Gleich zu Beginn ließ ich mir einen Einlauf verpassen, ich wollte mich unter der Geburt auf keinen Fall entleeren, auch wenn Hebammen immer wieder beteuern, dass das absolut kein Problem sei. Ich weiß, dass meinem Freund das tierisch unangenehm gewesen wäre und deshalb wollte ich das unbedingt. Natürlich verließ mein Freund wieder den Raum und wollte dazu geholt werden, wenn ich "fertig" war. Das Wasser wurde mir in den Hintern gedrückt und ich sollte es nun so lange wie möglich drin behalten. Das schaffte ich keine 10 Minuten... Den Rest erspare ich euch!Ab an den Wehentropf hieß es dann nach erneutem CTG. Als dann die Wehen kamen hielt ich ab und zu inne und NOCH lachten wir darüber.


So vergingen einige Stunden. Ab und zu verschwand mein Freund um zu essen, oder ein wenig zu schlafen. Ich war wieder kraftlos, die ganze Rumliegerei und das Veratmen der Wehen strengten mich an. Und der Mut verließ mich erneut, weil die Wehen überhaupt nichts in Gang setzten. Nach gefühlt 1000 Stunden hatte sich immernoch nichts getan. Kein Fortschritt. Der Wehentropf wurde Stunde um Stunde höher gedreht und schließlich kamen die Wehen so doll, dass ich schon wieder am Plärren und Jammern war. Ich konnte mich durch nichts mehr ablenken. Ich versuchte mich zwischen den Wehen auszuruhen, aber es wollte mir nicht gelingen. Also bereitete man die PDA vor. Ich hatte schon dolle Schmerzen, aber laut CTG waren das noch nichtmal drastische Wehen. Ich wollte gar nicht wissen, wie sich die Austreibungsphase anfühlte, ich krümmte und windete mich schon jetzt wie ein Regenwurm und schaffte nen Scheißdreck zu veratmen. Der Anästhesist kam und war sehr jung. Ich schämte mich ein bisschen, aber eigentlich war das auch scheißegal. Die PDA war gelegt und so langsam wurde der untere Teil meines Körpers taub. Puh. Erleichterung. Sehr schön. "Jetzt kanns losgehen." dachte ich mir noch. Ich hatte sogar noch den Nerv meiner besten Freundin ein Selfie zu senden.

Nach 16 Stunden Wehentropf, PDA, Rumkrepeln, Jammern, Heulen und großer Verzweiflung war der Muttermund ganze 3 cm geöffnet. Bis wann sollte ich hier denn bitte noch rumliegen? Eine Austreibungsphase hätte ich nie und nimmer geschafft, da konnten mir Hebammen und Ärzte noch so oft versichern, der Körper wurde unter der Geburt nochmal Kräfte freisetzen, von denen man vorher nicht geahnt hätte, dass sie in einem stecken. Ich war mir aber zu 1000000 Prozent sicher, dass dies bei mir nicht der Fall war. Ich kannte mich und meinen Körper. Die Schwangerschaft hatte mich schon geschafft, aber die letzten Tage hatten mir den Rest gegeben.
Mittlerweile zuckte und schüttelte mein Körper unkontrolliert, ich war so übermüdet und geschwächt, dass ich kaum noch sprechen konnte. Ich hatte zum Schluss eine ganz furchtbare Hebamme erwischt und die Ärztin sagte zwar erst, dass wir das noch weiter versuchen würden, stürmte aber nach 20 Minuten aus dem Nichts meinen Kreißsaal und erklärte mir, dass sie sich im Team besprochen hätten und man nun doch einen Kaiserschnitt machen sollte.
Ich heulte. Ich hatte eigentlich keine Angst vor OP´s. Aber nun war ich bis aufs Mark verängstigt. Ich wollte weder eine richtige Geburt vollenden NOCH eine OP. Ich wollte gar nichts mehr. Ich wollte mich einfach nur auflösen und nicht mehr da sein. Ich wollte das alles nicht mehr erleben. Ich wollte nicht mehr Mutter werden und ich wünschte mir, ich wäre niemals schwanger geworden.

Ich sah zu meinem Freund, er war ganz blass geworden und auch ihm stand die Panik in den Augen. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber ich bemerkte sofort, dass er nicht mit in den OP wollte. Ich hatte tierische Angst und hätte ihn wirklich gern bei mir gehabt, aber ich hatte Angst, dass er Kreißlaufprobleme bekäme und man könne sich dann nicht um ihn kümmern. Da hatte man uns schon vorgewarnt. Mein Liebster meinte zwar tapfer er käme mit, aber ich wusste, dass er das wirklich nicht wollte. Also sagte ich zu ihm, er müsse nicht mitkommen.
Es ging alles so schnell. Plötzlich zuppelten und zerrten hunderte von Leuten an mir rum. Ich zitterte und schüttelte immernoch vor mich hin und wurde in den OP-Raum geschoben.
In diesem Moment breche ich in Tränen aus. Es war wirklich eine so schreckliche Horrorshow für mich. Die Kanüle in meinem Arm tat weh, weil sie da schon verdammte 6 Tage drin steckte, obwohl mir mal gesagt wurde, dass man nach spätestens 2 Tagen das Ding da rausholt. Eine sehr ruppige, schlechtgelaunte Schwester zerrte an dem Ding rum und ich war zu schwach um irgendwas zu sagen. Ich konnte die Augen nicht aufhalten, die Lichter waren so grell und meine Augen brannten so sehr. Es kam mir alles vor wie in einem schlimmen Film. Die blöde Kuh knubbelte an dieser Kanüle rum und ich dachte die reißt mir den Arm ab. Irgendwann entschied sie sich offensichtlich doch noch, einen neuen Zugang zu legen. Ich wünschte man hätte ihr nicht so sehr angesehen, wie sehr sie ihren Job hasste. Die uneinfühlsame Hebamme noch dazu und das Desaster war perfekt. Der junge Anästhesist platzierte sich hinter mir, steckte mir irgendwelche Schläuche in die Nase und ich war wie gefangen in einem schlechten Traum. Man weiß es ist nicht echt und muss sich nur gut genug konzentrieren, vielleicht laut genug rufen, um zu erwachen, aber man befindet sich in einer seltsamen Zwischenwelt, aus der man nicht rauskommt. Es ist als ob man mit einem Fuß in der Realität und mit dem anderen im Traum steckt.

Ich spürte zwar keinen Schmerz, aber sie rüttelten und schüttelten an mir rum und ich zitiere eine Internetbekanntschaft wenn ich schreibe: "Es war wie am lebendigen Laib ausgeweidet zu werden". Ich wünschte sie hätten mir eine Vollnarkose gegeben. Mein Mund und mein Hals waren trocken und durstig. Meine Kiefer krampften und pressten sich wie von allein zusammen. So sehr, dass ich Tage danach noch unheimliche Kieferschmerzen hatte.
Ich konnte meinen sich schüttelnen Körper nicht kontrollieren und war allen komplett ausgeliefert. Plötzlich große Aufregung. Ungefähr 5 Menschen riefen "Oh Gott ist der groß" und "Ne der hätte da nie durchgepasst". Ein unangenehmes Brüllen war zu hören. Keines wie man es aus dem Fernsehen kennt. Kein schüchtern-empörtes, sondern es klang wie von einem Dämon. Von links zeigte man mir einen dicken, blauen Fleischklops, den ich kaum erkennen konnte, weil es so schwer war die Augen zu öffnen. 4620 gramm, 55cm und einen Kopfumfang von 39cm hatten eine natürliche Geburt unmöglich gemacht. Er steckte tief in meinem Becken fest. Die blöde Hebamme meinte, dass man den Kleinen nun fertig machen würde und mir auf den Bauch legen würde. Mit aller letzter Kraft bat ich darum, mich erstmal in Ruhe zu lassen. Ich wollte das nicht. Und obwohl alle um meine Krankenakte und die Angst wussten, ich könnte keine Bindung zum Baby aufbauen, sagte dieses Scheusal von Hebamme, dass es nicht mehr um mich ginge, sondern um des Kindes Wohl. Ich war fassungslos.
Sie schoben mich auf den Flur und schmissen mir das kleine Fleischpaket auf den Bauch, obwohl mein Freund bereits im Nebenraum wartete und sich um den kleinen kümmerte. Beinahe hatte ich ihn vom Körper geschüttelt- so doll waren meine Zitteranfälle. Ich war wahnsinnig erschöpft. Nur ein Funken Mitleid überkam mich, weil ich diesem Wurm keine mütterlichen Gefühle entgegnen konnte. Ich war sehr beruhigt, dass mein Freund so liebevoll mit ihm war. Er küsste und streichelte ihn ununterbrochen und das machte mich unheimlich dankbar. Ich konnte ihm keine Liebe geben. Der einzige positive Gedanke, der mir durch den Kopf ging war "Oh Gott, was für ein unglaublich weicher Rücken".
Man schob mich dann in das Überwachungszimmer und ich war immernoch nicht erleichtert. Ich hatte keine Schmerzen und zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung was mich noch erwarten würde, aber ich weinte immernoch und dachte heimlich, dass es wohl besser wäre den Kleinen "abzugeben". Wirklich. Ich hatte in diesem Moment geglaubt, der Kleine wäre ohne mich besser dran. Und ich ohne ihn. Ich konnte und wollte jetzt in diesem Zustand nicht auch noch Verantwortung übernehmen. Für mich wäre es auch in Ordnung gewesen jetzt einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen...
Es war nachts, mein Freund müde und somit verabschiedete er sich, um schlafen zu gehen. Für ihn war in diesem Zimmer kein Platz. Schonwieder musste ich allein sein. Mit einem Baby. Meinem Baby. Ich ließ den Fleischklops auf die linke Seite schieben. Die ganze Nacht starrte ich ihn ungläubisch an. Weil er mir so unsagbar Leid tat, streichelte ich ihn und sorgte dafür, dass ich ihn ununterbrochen berührte. An Schlaf war trotz Müdigkeit und Erschöpfung nicht zu denken. Mein Gehirn verarbeitete wie verrückt.

Am nächsten Morgen hatte ich die Schmerzen meines Lebens. Ehrlich. Ich dachte ich hätte eine offene Bauchdecke. Als hätte man mir die Haut vom Bauchbereich runtergerissen. Ich konnte mich nicht bewegen. Meine Hände konnte ich nicht zu Fäusten machen. Sie fühlten sich angeschwollen und trocken an. Als wären sie schwer und eingerostet. Das machte mir Angst und auf der verkackten Wöchnerinnenstation verstand man nichts davon, mir die Ängste zu nehmen. Man tat das alles ab, als wäre ich eben eine der übertrieben jammernden Frauen mit Kaiserschnitt. Natürlich war ich für die Schwestern nichts besonderes. Ich war eine von vielen. Eine Nummer, mehr nicht. Es interessierte sie einen Scheißdreck wie es mir ging. Es dauerte ewig bis mein Freund an diesem Morgen endlich zu uns kam. Die bekackte Schwester zwang mich nach grade Mal 6 Stunden das erste Mal aufzustehen. Ich konnte mich nicht mal zur Seite drehen vor Schmerz und sollte STEHEN. Ich beteuerte, dass ich noch nicht soweit wäre. Ich bettelte und flehte sie an, aber sie ließ nicht davon ab mich dazu zu bewegen. Es waren höllische Schmerzen und ich kam mir vor wie ein dummes Kind, dass nicht selbst über seinen Körper entscheiden darf. Es war erniedrigend hier darum zu betteln ,etwas nicht zu müssen.
Und dann entfernte sie mir auch noch den Blasenkatheter, was bedeutete, dass ich wenn ich das nächste Mal zur Toilette musste, aufstehen und gehen musste.
Es fällt mir so schwer das hier alles aufzuschreiben. Ich bin sonst nicht so ein Jammerlappen, sondern eigentlich eine recht starke Person. Immer einen Konter parat und nie zu müde werdend für die eigenen Rechte zu kämpfen. Es tut mir so weh diese Zeilen zu schreiben, es tut mir so weh, dass ich dem kleinen Erdenbürger keinen perfekten Start bieten konnte, weil ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt war. Dieser kleine Mensch konnte nichts dafür. Wurde einfach so in diese Welt geboren und seine grausame Mutter bemitleidete am allermeisten sich selbst.
Es kam wie es kommen musste und ich musste das erste Mal pullern. Ich bat um eine Bettpfanne und die grausamste aller Schwestern entgegnete pissig, dass ich eben aufstehen solle. Es wäre halt so nach einem Kaiserschnitt. Dabei waren grad mal 10 Stunden vergangen... Was dachte die Kröte sich eigentlich dabei? Meinen die da, es würde mir Freude bereiten vor Zsuchauern in eine verdammte Pfanne zu pinkeln? Sie keifte mich an, dass dies eine absolute Ausnahme sei und ich beim nächsten Mal keine bekäme und aufstehen müsse. Geht es noch erniedrigender?
Das alles war furchtbar, dennoch wurden meine schlimmsten Befürchtungen nicht wahr. Nämlich, dass ich mein Kind nicht annehmen könnte. Der kleine Mann hat sich so tapfer geschlagen, die ersten 2 Tage und Nächte keinen Mucks von sich gegeben, als hätte er verstanden, dass ich zu mir kommen musste. Als hätte er Rücksicht nehmen wollen. Er hat in diesen 2 Tagen mein Herz im Sturm erobert.
Ich war so stolz auf diesen "kleinen" Kämpfer. Eigentlich war er ein großer, dicker Maikäfer. Was muss es für eine Qual gewesen sein, da wochenlang mit dem Köpfchen im Becken festzustecken, und ständig dieses Stress seiner jammernden Mutter zu ertragen. Rausgerissen zu werden aus seiner wohlig warmen Höhle, ins grelle Licht empor gehoben zu werden und in ein großes Nichts entlassen zu werden... Mein Mitleid ihm gegenüber, aber auch der Respekt ließen mich sehr schnell in meine Mutterrolle schlüpfen. Obwohl ich es unglaublich fand, dass er angeblich so lange in meinem Bauch war. Dass ich ihn quasi "gemacht" hatte. Aber ich versprach alles zu tun, um ihm eine gute Mutter zu sein. Er soll die unglaublich lustigste, schönste Kindheit der Welt haben. Ihm soll nichts Böses widerfahren. Ich möchte ihn schützen und niemand soll ihn je verletzen. Denn obwohl er in den ersten Tagen wirklich keine Schönheit war (er enknautschte sich nach 2 Tagen und wurde dann erst von Tag zu Tag süßer), so war er für mich das perfekteste Menschlein auf Erden.


Und plötzlich hatte ich meine eigene kleine Familie...

An der Stelle möchte ich noch betonen, dass es durchaus auch nette Schwestern auf der Station gab. Leider aber hatte ich in der meisten Zeit mit ungebildeteten, fiesen Schnepfen zu tun (2 von ihnen). Zwischendurch habe ich dort aber auch mal sehr freundliche Schwestern erlebt. Leider hatten die in der Zeit wo ich dort war, immerhin knapp 2 Wochen, viel zu selten Dienst.

Das war er. Der Geburtsbericht, den ich so verdammt lange hinaus gezögert habe. Ich habe mehrere Stunden daran gesessen. Alles nochmal erlebt. Geweint und nochmal mitgelitten. Aber ich hoffe nun endlich mit diesem Thema abschließen zu können. Ich habe gekürzt was das Zeug hält, am Ende ist es aber doch ein Roman geworden...Sorry!

8 Kommentare:

  1. Dein Bericht wühlt auch in mir einiges auf.
    Die Geburt meines Sohnes war zwar bei weitem nicht so schlimm wie bei dir, aber ich habe das Krankenhaus und all die scheußlichen Hebammen, Schwester und Ärzte gehasst!
    Es ist mir unbegreiflich, wie die mit gutem Gewissen in die Arbeit gehen können, wo sie doch wissen das sie den "Start" aller so unglaublich verhunzen.
    Ich hatte danach ganz schlimme Depressionen, will auch keinem die Schuld dafür geben, aber der Krankenhausaufenthalt hat einen großen Teil dazu beigetragen!

    Aber... es ist vorbei :)
    Und nach dem Selfie zu urteilen, warst du eine sehr hübsche Entbindende! :)

    Liebe Grüße
    Anna

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    1. Hallo, vielen Dank für Deinen Kommentar. Vor Wochenbettdepressionen hatte ich große Angst. Ich bin sehr froh, dass mir wenigstens diese erspart geblieben sind. Es ist toll, dass es nun vorbei ist bei Dir. Hast Du Dir professionelle Hilfe geholt?

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  2. Der Bericht ist so ehrlich, erschreckend und mitreißend! Schön ist zu sehen, dass du dich zu einer wunderbaren Käfermutti entwickelt hast, trotz extremer Startschwierigkeiten.

    Beste Grüße
    Aline/ Weltflucht

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  3. Wow.. danke Thessi für deine Ehrlichkeit.
    Wirklich sehr schrecklich, wie mit werdenden Müttern manchmal umgegangen wird. Ich finde es sehr bemerkenswert von Dir, dass Du die Kraft hattest alles nieder zu schreiben und hoffe, dass Du ganz bald dieses schreckliche Erlebnis verarbeiten kannst. Der kleine Käfer wird dich bestimm mit jedem Lächeln darin unterstützen!

    Liebste Grüße
    Latoya (latti92)

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  4. Liebe Thess,

    Du schreibst so unglaublich toll, schonungslos ehrlich und mitreißend. Ich musste so weinen bei diesem Bericht. Umso mehr freut es mich, dass du dich zu so einer liebevollen und tollen Käfermama entwickelt hast :-).
    Bitte schreib unbedingt weiter! Ich liebe deinen Schreibstil.

    Liebe Grüße

    Caro

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  5. Ach Thessi..wow. Nun nochmal alles zusammen gefasst zu lesen. Ich hab einfach grossen Respekt vor dir, wie du alles überstanden hast und nun seid ihr so ein tolles Team. Du bist eine tolle Käfermama.

    Liebe Grüße
    Anniii

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  6. Liebe Tess,
    wirklich gut, dass du es noch mal aufgeschrieben hast. Vor allem für dich. Mit jedem Mal darüber sprechen und darüber schreiben, wird die Last ein bisschen weniger erdrückend.
    Liebe Grüße, auch an den Maikäfer mit den süßesten Füßen der Welt :)

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  7. Hallo Thess,
    wie ging es weiter? Wie war die Eingewöhnung? Geht es dir besser?

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