Montag, 5. Januar 2015

Plötzlich sollen an allem nur die Hormone Schuld sein

Gefühlsachterbahn. Tosende Endorphine und schwarze Wolken gleichzeitig am Seelenhimmel. Jeder weiß, dass eine Schwangerschaft eine enorme Hormonumstellung bedeutet.
Aber ist einer Frau das wirklich so bewusst? Also weiß man wirklich, was da auf einen zukommt? Mit Sicherheit nicht. Ich dachte ich wüsste es. Ich gehöre zu den Frauen, die stark an PMS leiden. Ich bin zwar Gott sei Dank von fiesen Schmerzbeschwerden einigermaßen verschont geblieben (mal ein Krämpfchen hier und da, Rückenschmerzen und so... aber höchstens so, dass noch keine Medikamente erforderlich sind. Es reicht lediglich zum Jammern- aber darin bin ich auch weltklasse), aber uhhhh meine Stimmungsschwankungen. Nehmt euch in Acht liebe Männer. Und Frauen. Freunde, Familienmitglieder und Passanten. Das PMS- Monster kennt kein Pardon... Da kann man schonmal die Nerven verlieren, wenn der Tee zu stark gesüßt ist. Oder zu wenig. Oder wenn man keine Süßigkeiten im Haus hat, oder die falschen. Das Lieblingseis ausverkauft ist, man wiedermal viel zu fett in der Lieblingsbluse aussieht (doofe Wassereinlagerungen!), oder auf der Straße jemand komisch guckt [...] Ich könnte ewig so weiter machen. Da gäbe es einiges, was ich aufzählen könnte.

Und wenn man plant schwanger zu werden, ist einem durchaus gewiss, dass es in dieser Zeit ähnlich werden könnte. Nur die Tragweite war mir ehrlich gesagt nicht bewusst. Wie denn auch?
Gut. Begünstigt durch die Schwangerschaft traten bei mir auch wieder die Depressionen auf. Das ist nochmal ne andere Hausnummer. Es war aber nicht immer zu erkennen, ob mich nun a.) Schwangerschaftshormone, b.) Depressionen, oder c.) die ganz normale Zickigkeit, die einer jeden Frau zusteht lenkten. Das machte es nicht einfach. Nicht für den Freund, aber am allerwenigsten wohl für mich. Ich habe es gehasst, wenn mein Verhalten mit Schwangerschaftshormonen "entschuldigt" wurde. Ich hätte ausflippen können. "Nein Schatz. Das hat jetzt rein gar nichts damit zu tun. Ich fänd Dein Verhalten auch im Normalzustand zum kotzen und wäre auch unschwanger völlig zu Recht wütend".
Plötzlich ist an allem immer das heranwachsende Etwas in einem Schuld.
Ich erinnere mich an eine Situation, wo mein Freund vor seinen Kollegen (meinen Ex-Kollegen) etwas Doofes gesagt hat, worüber ich mich geärgert habe. Wir standen an der Kasse im Supermarkt und besorgten grad ein paar Snacks für das bevorstehende Fussballspiel, welches wir uns alle gemeinsam im Büro ansahen. Von mir kam sofort ein Konter, wie immer. Aber plötzlich hieß es: "Uuuhhhhh die Schwangerschaftshormone" und :"Uiuiui Du Armer, Du hast es sicher nicht leicht". Pfff. Trottelköpfe. Spätestens DANN traten die Hormone auf und überwalzten mich in voller Präsenz. Ich sah mich vor meinem inneren Auge ins Kaugummifach grabschen und eine Handvoll Packungen an die Köpfe sämtlicher Kollegen werfen. Nicht zu vergessen an den Schädel meines Freundes. Mit hochrotem Kopf  und herausquellenden Augen, Dampf aus den Ohren schießend. Mein Körper wie er vor Wut ein riesiges Loch in den Supermarktboden stampft. Ein Sirenenartiges Geschrei aus meinem Munde.
Aber ich lächelte nur bemüht und riss mich am Riemen. Alles andere wäre mir eh nur wieder falsch ausgelegt worden.

Mal bewegte ich mich im Tal "Zu-Tode-betrübt" und mal kletterte ich auf den "Mount Himmelhochjauchzend". Wobei zweiteres leider meist nicht so lang anhielt. Aber ja. Es gab diese Momente, in denen ich mich eigentlich selbst fast schon wieder hasste, weil ich war wie "sie". Mit "sie" meine ich diese debilgrinsenden Frauen, die man immer sieht. Wie sie sich über ihren Bauch streicheln als wollten sie ihre gesamte Umwelt provozieren. "Sieh mal. Ich bin schwanger und schau wie mich das schon jetzt erfüllt. Ich werde so in meiner Mutterrolle aufgehen."
Früher war ich immer genervt von diesen Damen. "Ja mein Gott, Du hast ne riesen Murmel. Wir alle sehen doch, dass Du schwanger bist." Meine Güte. SOOOOWAS besonderes ist das ja auch nun wieder nicht. Vor allem regten mich die Werbemuttis auf. Von Schwangerschaftsratgebern, Hautölen und Teepackungen stechen sie hervor. Genüsslich lächelnd, die Augen geschlossen und die Hände um den Bauch gelegt.

 


Doch nun gehörte ich plötzlich selbst dazu. Nur vorerst ohne Murmel. Aber diese Bauchstreichlerei. Ich weiß nicht wieso, aber das kommt urplötzlich. Automatismus. Gut ich war jetzt keine dieser Vollzeit- Bauchstreichlerinnen. Aber ich erwischte mich immer öfter dabei.

Ich schreibe immer so viel Negatives zum Thema "Mutter werden", dass ich glaube viele schätzen mich völlig falsch ein. Der kleine Cashew- Kern war absolut gewollt. Ich wollte immer jung Mutter werden. Wobei ich hier auch sagen muss, dass ich kein typisch "Oh wie süß ein Baby"-Mädchen bin. Ich sah mich immer mit einem 3-Jährigen Kind an der Hand. Will nicht sagen, dass mir nicht klar war, dass das Babyalter zu dem Kind dazu gehört, ich hatte das nur irgendwie immer ausgeblendet.
und wenn man dann bestätigt bekommt, dass man Mutter wird, dann wird einem erstmal klar, was man da angerichtet hat. Dass man sich der Verantwortung nun nicht mehr entziehen kann. Negative Gedanken sind dann gar nicht so ungewöhnlich.

Es gibt wahnsinnig viele Frauen, die urplötzlich unter völliger Überforderung leiden.
Sie planen ein Baby und sind sie dann schwanger, möchten sie es am liebsten wieder rückgängig machen. Denken über Abtreibung nach und so weiter.
Leider wird aber nicht ganz so häufig davon berichtet, wie von den rosapuffigen, schönsten Emotionen einer Neu- Schwangeren. Man hört von irgendwelchen Hormonschwankungen und denkt, dass Schwangere ab und zu mal ein bisschen zickig sind, oder sehr nah am Wasser gebaut. Böse Unterschätzung. Das Hirn macht so viel mehr mit einem. Nur ausprechen darf man das bloß nicht. Dann kommen nämlich die Kommentare von den Männern: "Du wolltest doch schwanger werden." Oder noch viel schlimmer: Die militanten Muttertiere.
Die die selber schwanger sind, oder eben bereits Mütter. Und von denen wird man gesteinigt. Strafende Kommentare und böse, verständnislose Blicke muss man ernten. Für jeden negativen Gedanken, den man sich wagt auszusprechen. Für jedes Glücksgefühl, das sie hatten aber man selber nicht. Schande. Schande über die Häupter aller Frauen, die nicht die ganze Zeit überglücklich über ihre Bäuche streicheln!
Man hat als Schwangere gefälligst mit sich und der Umwelt im Reinen zu sein. Und verdammt nochmal. Schwangersein ist doch SOOOOOO schön. Das Schönste im Leben einer Frau. und man fühlt sich so weiblich.  
Ja. JA WIRKLICH. Frauen berichten, sie fühlten sich in der Schwangerschaft so weiblich. Ernsthaft? Wie fühlt man sich denn vorher?
 Ich will nicht abstreiten, dass ich mich nicht auch weiblich fühle. Aber das tat ich zuvor auch. Brüste und Vagina sind ja nicht erst mit der Schwangerschaft entstanden. Also bei mir war das alles schon vorher da. Und ich bilde mir ein, ohne diese Apparate säße ich jetzt nicht hier und wartete auf die Wehen.
Aber gut. Was viele wohl meinen, sind die neuen Rundungen am Körper.
Wenn man aber schon vorher einiges an Rundungen zu bieten hatte, vor allem wenn diese gar nicht immer so gewünscht waren, sieht man ganz schön alt aus. Und wenn einen dann die Leute fragen "uuund fühlst Du Dich auch so schön und sexy?" und wenn sie sagen "Genieß die Zeit"- man möchte ihnen eine Ohrfeige geben.
Ich fühlte mich die ersten 3 Monate aufgebläht und dann schwammig. Wassereinlagerungen und Streifen begannen schon bald, meinen Körper zu zieren.
Aber ich gebe eines zu. Trug ich vor dem erkennbaren Babybauch immer nur Oversize Shirts, um meine Problemzönchen zu vertuschen, konnte ich mit Babyplautze ENDLICH wieder enganliegende Kleidung tragen. Nie war mein Bauch straffer! Plötzlich ließen mich die engen Sachen schlanker aussehen und das ist das einzige, was ich an dieser Schwangerschaft vermissen werde. Plötzlich machten mich meine Oversize Klamotten zu einer Zeltgestalt.

Bin mal gespannt, wie das in ein paar Tagen ist. Ich kann es trotzdem kaum erwarten, endlich meine Klamotten wieder anziehen zu können. Und meine Schuhe, die mir zu unbequem waren.
Hallo- oh ihr vielen Shirts. Hallo Absatzschuhe. Bald habt ihr mich wieder, ich freue mich so auf euch. <3

Ich werde nun meiner Essensgier nachkommen. NOCH kann ich ja. Nutzen wir also die letzten Stunden voller Zufriedenheit, bevor es wieder um das leidige Thema "Wunschfigur" geht.

Morgen um 9:30 Uhr soll ich mit gepackter Tasche in die Klinik kommen.
Womöglich werde ich eingeleitet und werde den Bauchbewohner schon übermorgen (oder überübermorgen) kennen lernen.

Liebst Thess.