Dienstag, 30. Dezember 2014

Ein Satz, der vieles veränderte.

Schatz ich bin wirklich schwanger.

Bis ich realisiert hatte, dass ich wirklich schwanger bin, vergingen schon so einige Momente. Das war alles so unwirklich. Aber auch so aufregend. Es gab eigentlich nichts anderes in meinem Kopf. Ich hätte es gern mit der ganzen Welt geteilt, war gleichzeitig so verunsichert, dass ich wirklich so schnell schwanger geworden war. Weil wir ja nicht mit einer solch schnellen Einnistung gerechnet hatten, kam noch ein wesentlicher Punkt auf. Ich würde 3 Tage später einen neuen Job anfangen. Wie sollte ich das meinem neuen Arbeitgeber erklären? Sollte ich überhaupt?

Das beunruhigendste an der ganzen Nummer war aber die Stimmung. Die Stimmung in den folgenden Tagen war unerträglich. Aus meinem liebevollen Partner, der mich sonst mit liebevollen Gesten und Komplimenten überhäuft hatte, war ein zurückhaltender, überforderter geworden. Es war ganz klar. Wir mussten reden. Seine Laune war nicht normal. Nicht dafür, dass man sich ja gemeinsam darauf geeinigt hatte ein Kind zu bekommen. Spätestens nach dem ersten Schock sollte doch mal ein Funken Freude aufkommen? Da alles sah ihm gar nicht ähnlich... Ich machte Anspielungen und seine Reaktionen ließen mich verzweifeln.
Als wir das Thema dann eines frühen Abends besprachen war völlig klar, dass er sich nicht freute. Es kam ihm ungelegen. Er hatte eine stressige Zeit und vielleicht hatte unser Zellklumpen uns wirklich viel zu schnell überrascht. Das folgende Gespräch änderte leider unsere gesamte, harmonische Beziehung. Bis heute.

Ich sagte patzig soetwas wie: "Na wasn, nun ist es nunmal da. Soll ich jetzt wieder abtreiben oder was?" Und dann kam die alles verändernde Antwort des Mannes, den ich mehr schätzte als jeden anderen Menschen auf dieser Welt. Dem ich vertraute und zu dem ich mich so verbunden gefühlt hatte. Er erwiderte gedankenverloren: "Darüber habe ich auch schon nachgedacht".

Ein Satz und in mir brach eine ganze Welt zusammen. Ein Satz und mein komplettes Grundvertrauen war wie von einer dunklen, großen Wolke verschluckt worden. Ich sitze in diesem Moment hier und muss schonwieder weinen. Diese Worte haben so viel angerichtet, so viel zerstört... Dabei war er einfach nur ehrlich. Das ist doch auch nichts, was man ihm vorwerfen könnte?
Tausend Gedanken zischten durch meinen Kopf. So viel Wut, Traurigkeit und vor allem Unsicherheit. Ich hatte binnen weniger Sekunden den Respekt verloren.  Meine Kurzschlussreaktion: Ich muss Schluss machen. Ich kann mit diesem Menschen nicht mehr zusammen sein.
Wie konnte er allen Ernstes über eine Abtreibung nachdenken? Man zeugt nicht einfach ein Kind und bemerkt dann, dass es einem doch noch nicht passt und sagt "Hex, Hex" und macht alles wieder rückgängig. Ich schrie hysterisch rum und rannte aus unserer Wohnung ins Nichts.

Ich wusste gar nicht wie mir geschah. Ich lief und lief und lief. Die Häuserwände vermischten sich einfach nur zu einer Masse. Menschen um mich herum bemerkte ich nicht. Ich nahm keine Straßengeräusche mehr wahr. Eigentlich hatte ich da nur dieses Rauschen im Kopf. Ich wollte weinen und schreien. Aber ich war mitten in der Stadt. Ich lief zum nächstgelegenen Park und setzte mich auf einen Platz zwischen Büschen. Es war diesig draußen und kaum Leute da. Ich wusste nicht was zu tun ist. Ich habe eigentlich nur die ganze Zeit gewimmert und geweint. Ich wollte niemanden sehen und mit niemandem reden. Obwohl ich so sauer und traurig über meinen Freund war, hatte ich mir in diesem Augenblick gewünscht, dass er mich aufgespürt, mich umarmt und mir gesagt hätte, dass das Quatsch war was er da gesagt hat. Dass er sich natürlich auf das Baby freue und dass er für immer mit mir zusammen bleiben wolle.
Er versuchte mich ein paar Mal anzurufen, aber ich konnte da nicht rangehen. Ich versuchte eine Freundin anzurufen, ich brauchte Hilfe. Ich war da mitten in einem Park, allein. Es war arschkalt und ich war wie schockgefroren. Meine Freundin hörte, dass etwas nicht stimmte und bot mir nicht von allein an mich einzusammeln. Sie war grad mit ihrem Freund essen und ich hatte irgendwie erwartet, dass sie sofort alles stehen und liegen lässt, um mich zu finden und für mich da zu sein. Sie meinte zwar sie könne ja nach dem Essen kommen, bzw. schlug mir vor ich könne ja dorthin kommen. Darüber war ich ziemlich empört und auch enttäuscht. Gesagt habe ich ihr das bis heute nicht.
Nach 3 1/2 Stunden und mehreren Whats App Nachrichten meines Freundes machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ich wusste nicht mehr und nicht weniger als vorher. Aber ich wusste auch nicht wohin. Ich wollte mit niemandem reden. Ich wollte einfach nur noch meine Ruhe haben.

Mein Freund hatte zwar die ganze Zeit versucht mich zu erreichen, aber als ich nach Hause kam, hatte er mir auch nicht wirklich etwas zu sagen. Keine wiedergutmachenden Worte, nach denen ich mich so sehnte. Einfach nur diese staubige, fette, schwarze Wolke zwischen uns.
Ich stellte ihn an diesem Abend vor die Wahl. Wenn er dieses Kind nicht wollte, würde ich es abtreiben, aber da ich ihn nie wieder ernst nehmen könne und wahrscheinlich auch nicht drüber hinweg käme, hätte es das Aus für die Beziehung bedeutet. Das Aus.
Entschied er sich für das Kind und somit auch für mich, so auch mit klarem Bewusstsein und allen Konsiquenzen.  Ich sagte ihm er hätte eine Woche Zeit, um sich das genau zu überlegen. Die nächste Ernüchterung war, dass er in dem Moment nicht das sagte, was ich gern gehört hätte. Nämlich dass das ja wohl Blödsinn sei und er darüber nicht nachdenken müsse. Das klar sei wohin er gehört. Nämlich zu mir. Denn er wollte doch eine kleine Familie mit mir.
Er sagte nichts... einfach nichts. Und mir diesem quälenden Nichts wimmerte ich mich in den Schlaf.

Natürlich waren auch die darauf folgenden Tage nichts als Drama angesagt. Und natürlich war ich nicht in der Lage eine Woche zu warten. Ich war so empört darüber, dass er mir verdammt nochmal nicht sofort antworten konnte. Ich schaute schon nach 1-Zimmer Wohnungen und überlegte, wie ich vorgehen sollte. Alles Verzweiflungstaten. Ich hatte ihn in diesen Tagen so sehr gebraucht...
Ich glaube jede normale Frau kann sich vorstellen, wie es mir ergangen ist. Und vielleicht können sich etliche Männer auch in seine Lage versetzen.

Er entschied sich letztendlich für uns. Allerdings nicht besonders romantisch. Ich hatte es ihm aus der Nase ziehen müssen und das wiederum war mir auch nicht Recht. Aber wie hätte er es mir auch jetzt noch Recht machen können? Ja. Mit einer Zeitreise vielleicht. Oder aufrichtigen Worten, dass das alles nicht so gemeint war. Aber diese brachte er nicht raus. Weil es nicht gestimmt hätte. Weil er eben nicht mehr zu 100% hinter dieser Entscheidung stand. So war es nunmal und damit musste/muss ich leben.

Es tut weh das alles aufzuschreiben und nochmal zu erleben. Es tut vor allem deshalb weh, weil das alles so viel verändert hat und ich mir so sehr die alten Zeiten zurück wünsche. Weil wir mal Lilly und Marshall waren und ich mich jetzt manchmal so fühle, als seien wir Peg und Al Bundy. Ich möchte jetzt erstmal nicht weiter schreiben.
Ich hatte nicht geahnt, dass mich das jetzt nochmal derart zurück versetzt. Aber es ist vielleicht nicht so schlecht das alles aufzuschreiben. Und auch um den Rest meiner Schwangerschaft zu verstehen. ich will nur verhindern, dass aus diesem Blog ein Tagebuch wird. Ich möchte ja schließlich für die Allgemeinheit schreiben.
Im Übrigen wird jetzt nicht jeder Eintrag so... naja ich sage mal "jämmerlich". Aber so begann nunmal alles. Und war sicher auch ein Auslöser für alles weitere. Ein Dominosteinchen, dass eine ganze Menge weitere Steinchen angestubst hat...

Bis zum nächsten Post..
Thess