Samstag, 7. März 2015

Tag 1 unter Einleitungen und immer noch kein Fortschritt.

Ich weiß, ich weiß. Ich lass die ganze Nummer hier ganz schön schleifen.
Aber ehrlich. Das hat nichts mit Faulheit zu tun. Erst fand ich die Zeit nicht, weil das Kind immerzu rummuckte, dann hatte ich Wortfindungsschwierigkeiten und jetzt versuche ich mein Geburtstrauma zu verarbeiten und bekomme das nicht so richtig zusammengefasst.
Auf meiner Taskleiste befinden sich 5 Word Dateien mit Wortschnipseln, die irgendwann mal eine ganze Geschichte werden wollen.

Es war Dienstag, der  06.01.2015 und es sollte nun endlich so weit sein. Meinem Baby sollte auf die Sprünge geholfen werden. Von allein hat sich der kleine Kerl ja nicht auf den Weg machen wollen.
Um 09:30 Uhr trafen wir im Kreißsaal im Krankenhaus Lichtenberg ein. CTG schreiben war wiedermal angesagt. Ich mochte CTG schreiben immer gern und verstand nicht, wieso andere das immer als so ätzend empfanden. Ich sollte schon bald genauso darüber denken... Und dann sollte die erste Einleitung erfolgen. Die Eipölllösung hatte nichts gebracht und ich war schon 8 Tage über dem Termin. Und da der kleine Bauchbewohner bereits 4 Wochen zuvor auf 4000g geschätzt wurde, schwante mir schon Böses.
Aus allen Ecken tönte es nur : "Ach was, das kann man so genau gar nicht messen" und "Meistens verschätzen die sich da eh um die 500g, so schwer wird er schon nicht sein".
Am Morgen hatte ich mich so richtig schick gemacht für das Krankenhaus. Freunde denen ich das erzähle, lachen mich aus.
 Wie ich da im Bad rumschlawenzelte und mich frisch rasierte, die Haare mit meinem besten Shampoo wusch und sogar eine Haarkur (mit Einwirkzeit!!!) machte. Wie ich mir tolle Klamotten rausgesucht und mir sogar die Haare geglättet hatte, weil ich dachte es wäre doch toll, unter der Geburt noch einigermaßen gut auszusehen, wenn man mal aufs Klo spaziert und so ein locker, flockiges Gefühl am Kopf zu haben. Also wenn sich die Haare so leicht und federig anfühlen und nicht so wulstig. Und man den Lieblingsduft trägt und Wohlfühlklamotten.
Die meisten halten mich wahrscheinlich für bekloppt, aber das war wie ein Ritual an diesem Tag, das erledigt werden wollte, um wirklich startklar für den neuen Erdenbürger zu sein.

Fühlte ich mich wochenlang nicht bereit den kleinen Zwerg schon kennen zu lernen, selbst am ET (Entbindungstermin), war ich nun startklar. Ich war hochmotiviert. Es konnte losgehen. Ich war irgendwie richtig stolz auf den kleinen noch  ungeborenen Mann. Ich hatte das Gefühl, dass er mir die Zeit gelassen hatte, die ich brauchte. Bis ich bereit war, ihn zu empfangen. Das hat mich ehrlich milde gestimmt. Allerdings hat ers dann übertrieben. Sooo lange hätte er nun auch nicht warten müssen.
Wir also so fröhlich jauchzend hin zum Krankenhaus. Die Kliniktasche hoch professionell gepackt. Traubenzucker, Knäckebrot, Lieblingsgetränk, Lieblingsnachthemden, Zeitschriften, Spiele und so weiter...


Foto von Google Street View


Also wir so im Kreißsaal angekommen, sollten erstmal im Wartezimmer Platz nehmen.
Ok. Verständlich. Viel los da. Allerdings viel zu stickig der Raum. Und so verdammt heiß. Werde nie verstehen, wieso in Frauenarztpraxen, Kreißsälen und so weiter immer noch so dolle geheizt wird. Die meisten Schwangeren sind doch wandelne Öfen.
Fenster aufgerissen, Heizung runtergeschraubt und Kopf erstmal aus dem Fenster gehalten. Nervös war ich.
Die Warterei nervte. Wir wussten nicht was auf uns zukommt und man hatte uns nicht informiert wie lange wir warten müssen und worauf überhaupt. Eine halbe Stunde später begann ich schlechte Laune zu bekommen. Also eine halbe stunde Wartezeit TROTZ Termin. Scusi- aber da könnte ja mal jemand Bescheid geben?
"Fängt ja supi an" dachte ich mir und wartete und wartete. Ich ärgerte mich über die unbequemen Stühle im Wartebereich. Wenn man hier schon hochschwangere Frauen ewig rumsitzen liess, wieso dann nicht wenigstens mit Stühlen, die einem nicht nach 5 Minuten Schmerzen bereiteten. Ich hatte ohnehin Rückenprobleme und ständig Steißschmerzen.
Foto von der Website des Sana Klinikums


Eine Stunde später kam endlich jemand auf uns zu und schob uns in einen Raum, zum CTG schreiben. Ne halbe Stunde. Bis dato mochte ich CTG schreiben wie gesagt immer ganz gern und verstand nicht, wieso das einige Schwangere nicht mochten. Man hört des Würmlein Herzchen puckern und kann selber nochmal ein bisschen Augen zumachen. Das einzig blöde ist die Tatsache, dass es irgendwann echt anstrengend ist, die ganze Zeit in einer Position zu liegen. -Es zieht und zuppelt im Rücken und man darf sich nicht drehen.
Nach 45 Minuten kam immernoch keiner. Ich wartete mehr oder weniger geduldig, endlich von dem Ding befreit zu werden und ungefähr nach ner Stunde kam der Arzt rein. Er verabreichte mir die erste Einleit- Tablette. Vaginal. Irgendwie wusste ich gar nichts über die ganze Einleitnummer und wurde auch nicht gut aufgeklärt. Ich dachte diese Tablette würde jetzt vor sich hinwirken und irgendwann fangen dann halt die Wehen an. Und wenn die erste nicht wirkt, gibts eben ne zweite und dann meinetwegen auch ne dritte. Hatte ich schon von Bekannten gehört. Nachdem die Tablette eingeführt wurde, musste ich weitere "30 Minuten" ans CTG. Was mir nicht klar war, war dass bereits die erste Tablette begann ziemliche Schmerzen zu verursachen. Nicht intervallenmäßig. Sondern durchgehend fieses Ziehen im Rücken und Unterleib.
Aber nagut. "Gehört wohl dazu. Wird halt kein Spaziergang" sagte ich mir und war zu diesem Zeitpunkt schon relativ bedient, weil ich wieder am CTG vergessen wurde, aber nötig pullern musste und sich mein gesamter Rücken nach 1 1/2 Stunden gleiche Position eben echt kacke anfühlte.
Man hatte uns vorher die Klingel gezeigt. Knöpfchen drücken und denn würde gleich jemand kommen. Hmmm.... Gleich. Ja. Kann man scheinbar recht unterschiedlich definieren. Erstes Mal Klingel gedrückt. Niemand kam. Nerven wollt ich auch nicht. Also nochmal gewartet. 15 Minuten später nochmal gedrückt. Keiner kam. Mein Freund also aus dem Raum und Richtung "Empfang" im Kreißsaal. Als er zurückkam meinte er, es würde gleich jemand kommen. Weitere 10 Minuten später endlich die Befreiung. Es sei ziemlich viel los, hieß es "entschuldigend".
Dann parkte man uns ohne weitere Informationen wieder im Wartezimmer. Niemand informierte uns, was als nächstes geschah. Eine Hebamme hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht zugeteilt bekommen. Ich saß also da in einem vollen Wartezimmer, mit beginnenden Schmerzen und krepelte vor mich hin.
Scheiße. Ganz schön unangenehm- wie soll das bloß werden? Eine weitere halbe Stunde verging. Ich wusste nicht mehr wie ich sitzen sollte. Ich war mega pissed. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon keine Lust mehr. Ich fühlte mich nicht gut aufgehoben. War es doch ne scheiß Idee in letzter Sekunde das Krankenhaus zu wechseln?


Mir stiegen dann langsam schonmal die Tränen hoch und ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Mein Freund und ich gingen nach vorn zum Empfangsbereich und wollten fragen, wie lange das denn nun dauern würde und ob wir uns mal die Beine vertreten könnten.
Da wurden wir von einer Frau dermaßen angezickt, dass ich fast vom Glauben abfiel.
Egal wie kacke ich zu diesem Zeitpunkt ich drauf war, ich hatte wirklich beherrscht und sehr vorsichtig gefragt und bekam eine dermaßen unverschämte Antwort um die Ohren gepeitscht, dass ich ehrlich zu zweifeln anfing. Eine andere Mitarbeiterin beobachtete das Spektakel und griff sofort ein und meinte, wir sollen ruhig für 1 1/2 Stunden spazieren gehen und wenn wir dann zurück kämen, gäbe es ein Zimmer für mich.
Wir also raus und vor der Tür brachen alle Dämme. Wutheulerei war angesagt. Da wartete ich seit mehreren Stunden darauf, dass IRGENDETWAS passierte, ohne dass uns irgendeine Information zugeteilt wurde und dann durfte ich mich noch anzicken lassen? Ich war auf 180.

Als wir dann zurückkamen, war ich froh nun endlich endlich ein Zimmer zu bekommen und mich endlich etwas hinlegen zu können. Die Freude stellte sich sehr schnell wieder ein.
Ich wurde in das wohl kleinste 2- Bettzimmer der Welt geführt und dieses bewohnten bereits 2 Menschen, wie man sie aus "Mitten im Leben" kennt. Natürlich lief der Fernseher im Hintergrund. Natürlich RTL. Ich weiß das klingt furchtbar gemein. Aber ich war einfach eh schon durch und wollte einfach nur meine Ruhe. Der Raum war miniklein, es gab keinen Vorhang und die Betten waren nicht nebeneinander gestellt, sondern sich gegenüberstehend. Dass man sich also die ganze Zeit anguckt.
Ich brach SOFORT in Tränen aus. Mein Freund schleppte mich aus dem Zimmer an die Luft und ich bekam einen Heulanfall der sich ca. eine Stunde lang fortsetzte. Außerdem tickte die Uhr und die Besucherzeit würde bald vorbei sein. Ich, diese Schmerzen, mit DER im Zimmer. Nein. Auf keinen Fall.
Es gab weder ein Familienzimmer, noch ein Einzelzimmer und selbst wenn: die seien ja für die Mütter, die bereits ihr Kind bekommen hatten. Was ich natürlich verstehen konnte. Blöd nur, dass ich plötzlich totale Panikattacken bekam. Ich hyperventilierte und egal wie sehr ich versuchte zur Vernunft zu kommen. Es ging nicht. Es ging GAR Nichts mehr.
Gott sei Dank kam mir mein Freund nicht blöde, sondern hatte aboslutes Verständnis. Ich weigerte mich zurück ins Zimmer zu gehen. Dann musste ich wieder zum CTG schreiben und mein Freund erklärte der Hebamme meine Situation. Diese holte dann einen Arzt.
Mein Freund teilte ihm mit, dass ich unter einer Angststörung litt und die nun voll ausbrach. Er fragte mich wovor ich Angst hätte. Haha. Manno. Ich hatte vor nichts Angst verdammt. Meine Körper und Kopf spielten eben verrückt. Es sei ihm verziehn, als Arzt der Gynäkologie kennt man sich nunmal nicht mit psychologischen Erkrankungen aus.

Er organisierte dann jedenfalls ein Behandlungszimmer, indem wir nächtigen durften. Es waren die unbequemsten Betten der Welt und doch war ich SO froh. Mein Freund durfte bei mir bleiben und fast 22 Uhr hatte ich dann ENDLICH ENDLICH meine Ruhe. Ich schlief aufgrund der Schmerzen genau gar nicht. Mein Freund hasst Krankenhäuser und kam auch kaum zur Ruh. Gegen 5 Uhr morgens schickte ich ihn nach Hause, damit er ein paar Stunden schlafen könnte und meinte, dass ich es bis zur Mittagszeit auch ohne ihn schaffen würde. Natürlich wollte ich eigentlich nicht allein sein. Aber er tat mir so Leid und ich wollte auch seine Energiereserven nicht überstrapazieren. Schließlich käme ja das Schlimmste noch auf uns zu. Ich ruhte mich noch ein wenig auf und zwei Stunden später betrat die liebste Hebamme der Welt den Raum. Sie war ganz ruhig und mütterlich und fragte mich, wie es mir geht. Fakt war. Es ging mir nicht gut. Und ich hatte keine Ahnung, ob ich eine Geburt überstehen würde. Ich war nach Tag 1 schon dermaßen im Keller. Ich hatte solche Schmerzen von den Einleitungen und den vaginalen Untersuchungen, dass ich schon jetzt am Ende meiner Kräfte war. Sie redete mir gut zu. Ich mochte sie so gern und wollte am liebsten, dass sie gar nicht mehr weggeht. Leider habe ich sie dann nicht mehr gesehen. Diese Frau hätte ich gern für immer an meiner Seite gehabt. Mit IHR hätte ich die Geburt hinbekommen, da war ich mir sicher.
Aber es kam ja dann eh alles ganz anders...
Sie war jedenfalls diejenige, die mir die frohe Botschaft verkündete. Ein Einzelzimmer war frei geworden und es wurde für mich!! reserviert. Außerdem würden sie ein weiteres Bett reinschieben, damit mein Freund bei mir bleiben könnte.

Das war die tollste Nachricht der Welt und es beruhigte mich so so sehr.

Als ich dann das Zimmer beziehen durfte, konnte ich mein Glück kaum fassen. Sofort beruhigte ich mich und war überglücklich.
Dieses Glück hielt leider nicht allzu lange an. Aber immerhin hatten wir nun unsere Ruhe.